s begab sich aber, dass die Menschen in Schilda keine Braunkohle mehr verbrennen wollten, um ihre Energie zu erzeugen. Denn sie hörten, dass das der Natur schade. Aus anderen Ländern erfuhren sie, wie gut sich Strom aus dem Wind und der Sonne ernten ließe.
Sie waren begeistert von dieser Idee. So sehr, dass sie einen Vertrag schlossen: Bis zum Ende des vierten Jahres sollten 200 neue Windmühlen im Lande stehen.
Damit jeder sehen konnte, was für große Pläne sie in Schilda hatten, errichteten sie auf dem Marktplatz eine Messlatte, dort, wo sich die meisten Menschen trafen. Auf der stand: 200. „An unserem Versprechen sollt ihr uns messen“, erklärte der Bürgermeister dem versammelten Volk.
Als vier Jahre vergangen waren, lud der Bürgermeister alle Bürger aus Schilda zu einem Fest auf den Marktplatz ein. Tatsächlich stand in den weiten Landen von Schilda keine einzige neue Windmühle. Das störte aber den Bürgermeister nicht: Mit viel Musik schritt er auf die Messlatte zu, musste sich nur wenig bücken und tanzte mühelos drunter hindurch. Stolz verkündete er: „Seht her, die Latte, an der ihr uns messen sollt, sie ist nicht heruntergefallen.“ Die Schildbürger jubelten.
Als das Fest allerdings zu Ende war, merkten die Schildbürger, dass die Luft noch immer dreckig war vom Kohlestaub. Strom war noch immer teuer und die Menschen wurden immer ärmer. Und siehe da: Donner grollte, dunkle Wolken zogen herauf, die Schildbürger wandten sich ab und weinten bitterlich.
„Ja, es gibt eine Blockade der CDU beim Ausbau der Windkraft, auch wahrscheinlich aus Angst vor Konflikten.“ [1]
Franziska Schubert, Fraktionschefin der Grünen in Sachsen
Dichtung und Wahrheit
Wie nennt man das, wenn die Messlatte so hoch hängt, dass man bequem darunter durchlaufen kann? In Sachsen nennt man es Koalitionsvertrag. Zumindest, was den Klimaschutz und den Ausbau der Erneuerbaren Energien betrifft. Denn die Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit ist hier so groß, dass der Koalitionsvertrag zur fiktionalen Literatur zählt.
Bis 2024 soll die Windenergie im Land demnach jährlich zwei Terawattstunden (TWh) mehr Strom erzeugen (gemessen an 2019). [2] Zur Einordnung: 2017 erzeugten die Windenergieanlagen in Sachsen insgesamt gerade einmal knapp über zwei TWh/a Strom, das Etappenziel bis 2024 bedeutet also knapp eine Verdoppelten.
Nimmt man vereinfacht an, dass eine moderne 4 Megawatt-Anlage 12 Gigawattstunden (GWh) Strom im Jahr erzeugt, dann müssten sich bis 2024 ca. 170 neue Windräder in Sachsen drehen. Dabei ist noch nicht berücksichtigt, dass wir gleichzeitig auch immer mehr Altanlagen abbauen.
Ziehen wir Halbzeitbilanz:
- 2020 wurden in Sachsen drei neue Windenergieanlagen errichtet (Vier Anlagen wurden abgebaut).
- 2021 war es eine neue Windenergieanlage (Elf Anlagen wurden abgebaut)
Macht zusammen vier Windenergieanlagen in zwei Jahren. Bei dieser Geschwindigkeit würden wir 85 Jahre benötigen, um die Ausbauziele für 2024 zu erreichen. Die Chancen dazu stehen nicht schlecht: Denn auch für 2022 rechnet die Branche mit keiner Trendwende bei den Genehmigungen, der Zubau nimmt nach wie vor keine Fahrt auf.
Hinzu kommt: Weil der Anlagenbestand in Sachsen besonders alt ist, werden hier in den kommenden Jahren auch besonders viele Anlagen abgebaut werden. Nach 2021 endete für alle Windenergieanlagen, die 20 Jahre oder älter sind, die Stromeinspeisevergütung nach dem EEG. Wegen der hohen aktuellen Strompreise können derzeit noch viele dieser Anlagen weiterbetrieben werden, ihre Zukunft ist allerdings ungewiss. Lohnt sich der Weiterbetrieb nicht mehr oder werden die Anlagen altersschwach, müssen sie umweltverträglich abgebaut werden.
Bis Ende 2024 sind es insgesamt 626 Anlagen mit einer Leistung von 637 Megawatt (MW), die keine Vergütung mehr nach dem EEG bekommen. Unterm Strich baut Sachsen seine Energieversorgung derzeit also ab!
Koalitionsvertrag: Hoffnung auf Zeitenwende
Dabei machte der Koalitionsvertrag, den CDU, Grüne und SPD 2019 verabschiedeten, zunächst Hoffnung. Dort steht: „In den kommenden fünf Jahren schaffen wir die planerischen und rechtlichen Voraussetzungen dafür, dass der Freistaat Sachsen nach dem Ende der Braunkohlenutzung seinen Strombedarf bilanziell vollständig mit erneuerbaren Energien decken kann.“ [2] Bis 2030 sollen dafür die Erneuerbaren zusätzlichen 10 TWh Strom im Jahr erzeugen, als Zwischenziel bis 2024 sollen es für alle Erneuerbaren zusammen zusätzlich 4 TWh sein.
Allerdings änderte der Koalitionsvertrag nichts an der Blockadehaltung großer Teile der sächsischen Politik und führte daher auch nicht dazu, dass auch nur eine Windenergieanlage mehr gebaut wurde:
- Im Koalitionsvertag heißt es: „Wir schreiben das Energie- und Klimaprogramm (EKP) bis zum Sommer 2020 fort, setzen es im gleichen Jahr in Kraft und schaffen die landesrechtlichen Möglichkeiten für dessen rasche Umsetzung.“ Tatsächlich dauerte es bis Mitte 2021, bis ein neues EKP verabschiedet wurde. Ein verlorenes Jahr: Die Regionalpläne konnten in dieser Zeit nicht sinnvoll Entwickelt werden.
- Im Juni 2022 verabschiedete die Sächsische Landesregierung einen verpflichtenden Mindestabstand zwischen Windenergieanlage und Wohnbebauung von 1.000 Metern. Die Regelung wirkt aus der Zeit gefallen, wenn gleichzeitig die Bundesregierung angekündigt, Landesspezifische Abstandsregelungen zu unterbinden und der Krieg in der Ukraine unsere Abhängigkeit bei den fossilen Energieträgern deutlich macht.
- Bis heute sind nur etwa 0,2 Prozent der Landesfläche für Windenergie ausgewiesen. Um die Landesziele, aber auch um die Vorgaben des Bundes zu erfüllen, müssten es zwei Prozent sein. Vorschläge, wie das zu erreichen ist, gibt es aus der Landesregierung nicht.
Sachsen droht, in der Energiepolitik den Anschluss zu verlieren. Denn auch die Wasserstoffstrategie, die das Land Anfang 2022 beschlossen hat, macht nur Sinn, wenn der Wasserstoff auch mit grünem Strom erzeugt werden kann. Für viele Industrien ist die Verfügbarkeit von Erneuerbarer Energie eine Standortbedingung geworden, Nachbarländer wie Brandenburg profitieren daher gerade von ihrer starken Windenergie.
Wir sind überzeugt: Sachsen könnte Energieland bleiben. Aber nur mit Sonne, Wind und Co.
Koalitionsvertrag: So viel Windenergie soll in Sachsen errichtet werden
Der Koalitionsvertrag von 2019 hat folgende Ziele für den Ausbau der Erneuerbaren Energien festgeschrieben:
„Wir schreiben das EKP bis zum Sommer 2020 fort, setzen es im gleichen Jahr in Kraft und schaffen die landesrechtlichen Möglichkeiten für dessen rasche Umsetzung.“
„In den kommenden fünf Jahren schaffen wir die planerischen und rechtlichen Voraussetzungen dafür, dass der Freistaat Sachsen nach dem Ende der Braunkohlenutzung seinen Strombedarf bilanziell vollständig mit erneuerbaren Energien decken kann.“
„Das Energie- und Klimaprogramm (EKP) soll sich an einem zusätzlichen Ausbau von 10 Terrawattstunden (TWh) Jahreserzeugung aus erneuerbaren Energien bis 2030 orientieren. Für 2024 orientieren wir uns an einem Zubau-Zwischenziel von 4 TWh, von dem der Hauptteil durch Windenergie gewonnen werden soll.“
Quelle: Gemeinsam für Sachsen, Koalitionsvertrag 2019 bis 2024 [2]
Quellen
[1] MDR, Warum Sachsen mit dem Ausbau von Windkraft nicht vorankommt https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen/streit-cdu-gruene-sachsen-ausbau-windkraft-100.html
[2] Gemeinsam für Sachsen, Koalitionsvertrag 2019 bis 2024, S. 38 https://www.cdu-sachsen.de/Dateien/koalitionsvertrag-2019-2024/3344108
[3] Energie- und Klimaprogramm Sachsen 2021, S. 48 https://publikationen.sachsen.de/bdb/artikel/37830